Plagegeister

Ein auf die Acropora formosa-Verwandtschaft spezialisierter Strudelwurm und eine Methode zu seiner Bekämpfung
Text und Fotos: Michael Mrutzek

Geweihkorallen der Gattung Acropora zählen nun schon seit zehn Jahren zu den schönsten Korallen in meinem Schauaquarium.  Das ist sicherlich sehr subjektiv empfunden, denn anderen Aquarianern und Besuchern gefallen Leder- und Weichkorallen, die sich in der Strömung hin und her bewegen, viel besser.  Mein Schauaquarium ist nach meinem Ermessen eigentlich voll besetzt.  Einzig Ableger von guten Freunden finden noch Platz.  So auch 1991 ein Ableger von Acropora formosa von "Fidi Huhe" aus Hamburg.

Jahre gingen ins Land und die Acropora forniosa gedieh prächtig.  Ableger von ihr gab ich an Freunde und Kunden von mir ab.  Auch Anfang 1999 hatte die A. formosa-Mutterkolonie noch immer ihren Platz in meinem Schauaquarium.  Mitte 1999 wurde sie aber immer heller; zuerst nur einige Äste und auch nur an bestimmten Stellen.  Ich machte mir zunächst noch keine großen Sorgen und da ich - wie jeder andere Aquarianer - jeden Tag ins Aquarium schaue, ist mir der langsame Farbverlust auch nicht so aufgefallen.  Erst als ich aus meinem Sommerurlaub wieder nach Hause kam, fielen mir die massiven Veränderungen an der Kolonie auf.  In meinem Aquarium befinden sich noch mehrere Able erkolonien.  Ich stellte aber nur bei den Kolonien, die unter Leuchtstofflampen standen, dieses Phänomen fest.  Also untersuchte ich die entsprechenden Kolonien.  Bei erster oberflächlicher Betrachtung fiel mir nichts auf.  Erst als ich eine Kolonie ca. fünf Minuten außerhalb des Wassers hatte, bemerkte ich einige Stellen an ihr, die nicht so "trocken" aussahen wie der Rest.  Schimmernd wässerig sahen diese Stellen aus, die ich nun eingehender untersuchte.
Mit Fntsetzten musste ich feststellen, dass die Acropora formosa von parasitären Strudelwürmern, in der Aquaristik fälschlicherweise als"Planarien" bezeichnet, befallen war.

Ich bin kein großer Freund von einem vorschnellen Einsatz von Medikamenten und begann, wie ich es in der Aprilausgabe bei der Nacl-tschneckenplage beschrieben habe, Ableger der befallenen Kolonien in kleine Aquarien zu überführen.  In diesen Aquarien befanden sich Fische, von denen ich glaubte, dass Strudelwürmer auf ihrer Speisekarte stehen.  Es waren Lippfische (Pseudocheiliiius hexataeizia, Halichoeres chtysus, H. iridis und H maginatus) und Leierfische (Synchiropus splendidus).  Die Lippfische P. hexataenia und H. iridis begannen nach zehn Minuten, an den Korallen zu picken.  In einem anderen Becken machte sich H. ins an die Arbeit, lediglich S. splendidus nahm keine Notiz von den "Leckereien" auf den Acropora-Ablegern.
Freudestrahlend überführte ich die Fische in mein Schauaquarium und war guter Dinge, meine Acropora forinosa nicht aus meinem System entfernen zu müssen.  Weit gefehlt!  Nichts von dem passierte, was ich erhofft hatte.  Die Fische fühlten sich sichtlich wohl.  Höhlen und Unterschlüpfe wurden erforscht, hier mal ein kleiner Happen von einem Stein, da mal eine Kleinigkeit aus dem Bodengrund, aber kein Gedanke an die Acropora, die nur wenige Zentimeter von den Fischen entfernt auf Befreiung von den Strudelwürmern wartete.
Auch nach Tagen hatte die Fische keinerlei Interesse an den Strudelwürmern. ich war sehr frustriert.  Eine Erklärung hierfür war schnell gefunden. in den kleinen Aquarien hatten die Fische nicht viel zu untersuchen und auch die Mikrofauna ließ zu wünschen übrig.  Daher wohl das Interesse an den Acropora formosa-Ablegern mit ihren Strudelwürmern.  Halichoeres marginatus ist eigentlich ein sehr guter Strudelwurm-Fresser, der schon vielen Kunden von mir geholfen hat, die bekannten Roten Strudelwürmer auszurotten.  Aber auch er hatte wohl diese hervorragend getarnten Strudelwürmer nicht auf seinem Speiseplan.  Andere Methoden mussten also her.

Ich erinnerte mich an das Antiwurmmittei"Concurat-L 10%"
Viele Aquarianer haben Concurat-L schon mit Erfolg zur Bekämpfung von Strudelwürmern eingesetzt.  Nachdem ich es mir besorgt hatte, mischte ich die "Dröhnung" an (Dröhnung = Rauschgiftdosis).  Dies tat ich mit gemischten Gefühlen, denn so recht anfreunden konnte ich mich nicht damit, in meine Aquarien eine solche "Dröhnung" einzubringen.  Aber ich wusste mir zu diesem Zeitpunkt keinen Rat mehr und meine Angst, dass anderen Acropora-Arten von den Strudelwürmern überfallen würden, überwog.
Nach der normalen Dosierung passierte nichts.  Einige wenige Rote Strudelwürmer starben, aber die Strudelwürrner, die ich vernichten wollte, machten keinerlei Anstalten sich zu ablösen.  Ich wartete noch ein paar Minuten und wiederholte
die Zugabe der Lösung. jetzt lösten sich aus dem Gestein einige etwas größere weiße Strudelwürmer und trudelten zur Oberfläche.  Weiter geschah aber nichts.  Eine Stunde später begann ich, mit Kohle die "Dröhnung" wieder aus meinem Aquarium zu entfernen.
Diesen hartnäckigen Strudelwürmern machte eine doppelte Dosierung also nichts aus.  Ich überlegte, was ich nun machen sollte und begann die Korallen aus meinem Aquarium auszubrechen, um sie dann zu "baden".  Ich hoffte, dass höhere Dosierungen von Concurat-L zum Erfolg führen könnten.  Ich nahm einen 20-Liter-Eimer, füllte 10 1 Aquarienwasser ein und gab ein Päckchen (7,5 g) Concurat-L unter Umrühren hinzu.  Anschließend legte ich einen stark befallenen Ableger hinein.  Nun war ich gespannt, wann die Strudelwürmer abfallen würden.  Nach 20 Minuten tat sich aber noch nichts.  Ich entschloss mich, einen weiteren Beutel hinzu zu mischen und stoppte die Zeit erneut.  Wieder war nach 20 Minuten keine Reaktion festzustellen und ein weiterer Beutel wurde in die 10 1 Wasser gemischt.  Allerdings entferne ich den Ableger aus der" Dröhnung" und legte einen neuen hinein.  Nach zehn Minuten lagen etwa 30 Strudelwürmer auf dem Boden des Eimers und weitere waren dabei, sich von der Koralle abzulösen.  Ich schüttelte die Koralle so lange, bis alle Strudelwürmer abgefallen waren.

Nun hatte ich eine Möglichkeit gefunden, diesen Plagegeistern das Handwerk zu legen und behandelte sämtliche Steinkorallen mit dieser Methode.  Ich konnte dabei feststellen, dass nicht alle Korallen von den Strudelwürmern befallen waren. Acropora-Arten mit dicht stehenden Koralliten wie z. B. A. selago und deren Verwandte sowie Seriatopora hystrix waren überhaupt nicht befallen.  Um festzustellen, ob dies lediglich ein Zufall war, benutzte ich mein Korallenzuchtbecken als Versuchsaquarium.  Ein kleiner stark befallener Ast einer Acropora formosa wurde zusammen mit einem Ableger einer A. selago eingesetzt.  Beide Ab leger wurden mit Korallenkleber an einem kleine Stein befestigt.  Täglich kontrollierte ich die beide Korallen.  Nach neun Tagen hatten die Strudelwürmer die A. formosa "verzehrt" und an der Fußscheibe der Koralle Eier abgelegt. Nach weiteren sieben Tagen begann die A. selago eine Fußscheibe auszubilden und eine kleine Wachstumsspitze zeigte sich.  Befall gleich Null!  Auch nach acht Wochen konnte ich keine Strudelwürmer auf dem A. selago-Ableger feststellen.

Ich möchte noch kurz auf die erwähnten Eier zurückkommen.  Die "Acropora formosa-Strudel würmer" legten eine Unmenge an Gelegen ab.  Die Gelege befanden sich immer an abgestorbenen Teilen der Korallenkolonien und ausschließlich an vom Licht abgewandten Stellen.  Die Eier sehen aus wie kleine Braunalgen.  Erst bei genauem Hinsehen kann man sie als Gelege erkennen.  Die Eier beschäftigen mich immer noch, denn ich suche an den Acropora formosa-Kolonien wöchentlich einmal nach neuen Strudelwürmern.  Es werden zwar immer weniger Strudelwürmer, aber leider finde ich doch immer wieder einige dieser Plagegeister.
Mein Ziel ist, die "Acropora formosa-Strudelwürmer" so oft zu "missbehandeln", dass sie keine Möglichkeit mehr haben abzulaichen.  Erst dann werde ich die Korallen wieder in mein Schauaquarium einbringen.
Bei der Behandlung mit dieser Methode ist unbedingt darauf zu achten, dass die in den Acropora-Kolonien lebenden Korallenkrebse unbedingt vorher abgelesen werden. jeder Kontakt mit der "Dröhnung" führt zum unmittelbaren Tod der Krebse.  Mit einem Kabelbinder bugsierte ich die kleinen Bewohner daher aus den Korallen heraus und bewahrte sie in kleinen Schalen auf, bis die Acropora wieder ins Aquarium eingesetzt war.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich durch Telefonate erfahren habe, dass eine ähnliche Strudelwurm-Art in Süddeutschland aufgetaucht ist.  Diese Art ist aber größer (bis zu 15 mm) und farblich anders.  Nach Auskunft von Karsten Weber, Karlsruhe, ist sie ausschließlich auf den Acropora-Arten zu finden, die bei mir nicht befallen waren - also die Arten der A. selago-Verwandtschaft bzw. auf Arten mit sehr eng stehenden Koralliten.  Die Bekämpfung dieses Strudelwurms ist mit der hier beschriebenen Methode identisch.